Geschichtlicher Rückblick von Dr. Dietmar-H. Voges (Archivedirektor a. D.)Ähnlich wie jede Altersstufe des Menschen besondere Entwicklungen erlebt, Zielvorstellungen zu erfüllen versucht und Aufgaben übernimmt, so verändern sich im Laufe der Geschichte auch die Möglichkeiten und Aufgaben einer Stadt, insbesondere einer Stadt wie Nördlingen, die als freie Reichsstadt Rechte und Funktionen ausübte, die sie zusammen mit dem Verlust der Reichsfreiheit 1803 einbüßte.
Ein Beispiel für eine solche historische Entwicklung und Veränderung kommunaler Funktionen ist die Geschichte des Schützenwesens in Nördlingen von der autonomen Wehrhoheit der Freien Reichsstadt zum Verein der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen.
Diese enge Verbundenheit der Schützengesellschaft mit der Stadt Nördlingen erklärt das außergewöhnliche Alter dieses Vereins, indem die Privilegierte Schützengesellschaft Nördlingen das Jahr 1399 als Gründungsdatum annimmt und beansprucht, im Jahr 1975 ihr 575jähriges Jubiläum gefeiert hat und 1999 ihr 600jähriges Jubiläum begehen konnte.
Im Stadtarchiv Nördlingen ist in der Stadt-Cammer-Rechnung des Jahres 1399 unter der Rubrik „Gemain ußgeben“ verzeichnet: ,,ltem den Schutzen vj lb“ (= Pfund) und 1406 heißt es an gleicher Stelle: ,,ltem viij lb den schützen“.
Aus diesen beiden Daten darf allerdings nicht geschlossen werden, vor 1399 habe es keine Schützen gegeben und zwischen 1399 und 1406 auch nicht, denn beide Daten hängen von der archivalischen Überlieferung ab, da vor 1399 und dann (mit Ausnahme von 1401) bis 1406 keine anderen Stadt-Cammer-Rechenbücher erhalten sind. Aus der Quellenlage folgert also exakt:
1399 gab es in Nördlingen nachweislich Schützen, ob vor 1399 lässt sich nicht feststellen; seit 1399 dürfen Schützen in Nördlingen als permanent und kontinuierlich existent gelten, – wofür auch die nächsten archivalischen Belege sprechen: 1407: ,,ltem xij lb den schützen vf daz schiessen gen Logingen (= Lauingen) ,, und 1410: ,,ltem xvj lb den schützen geschenckt vf den gank schiessen gen aystett (= Eichstätt)“.
Daraus folgert:
1.) Von 1399 bis 1410 stiegen die von der Stadt für die Schützen ausgegebenen Beträge von 6 über 8 und 12 lb auf 16 lb (=Pfund). Entweder wuchs die Ausgabefreudigkeit des Rates der Stadt, oder das Geld war weniger wert, – Geldwert- und Kaufkraftschwund gab es schon damals, – oder aber die Zahl und Bedeutung der Nördlinger Schützen waren gewachsen.
Dafür spricht:
2.) Die Nördlinger Schützen übten und schossen nicht nur daheim in Nördlingen, sondern sie erhielten Einladungen zu auswärtigen Freischießen nach Lauingen (1407) und Eichstätt (1410), und der Rat der Stadt hielt sie für gut und wert genug, sie als Nördlinger Repräsentanten dorthin abzuordnen und finanziell zu unterstützen.
Wie gut oder schlecht die Nördlinger Schützen damals zu Hause oder auswärts schossen, ist nicht bekannt, wohl aber ist überliefert, dass sie auch tranken und feierten, da es 1452 heißt: „ltem den Armbrost schüczen geben zu vertrinken 1 guldin“; (mit dem Zusatz): „haben sie vertrunken feria quarta cinerum (am Aschermittwoch) anno (14)52″. Nochmals verlautet für 1452: „ltem Am Güfel tag (an anderer Stelle auch Giefel-, Giffeltag, was vielleicht auf den Namenstag des HI. Sebastian, des Schutzheiligen der Schützen, zielt, obwohl der zumeist nach Fronleichnam datierte Termin dem nicht entspricht) den schüczen zu vertrinken 2 gldn – ltem Heinrichen müllern für hosen den schüczen In foro 19 gulden“. Und nochmals heißt es in der Stadt-Cammer-Rechnung von 1452: Item postJudica (März 26) den schüczen hett In der vasnacht vertrunken zu eren geschenkt 1 gldn“.
Bei den Schützen gehörten und gehören Schießen und Feiern, besser vielleicht ein zünftiger Umtrunk, zusammen und zu beidem hat die Stadt damals finanziell beigetragen, zweifellos nicht nur aus selbstloser Gebefreudigkeit, sondern eher oder ebenso aus Verpflichtung und Eigennutz für die Stadtgemeinde, für die Kommune der Bürger der seinerzeit freien Reichsstadt Nördlingen.
Im 14., 15. und 16. Jahrhundert bestand der große Unterschied entweder als Bauer auf dem flachen Land zu wohnen oder als Bürger in einer Stadt, insbesondere in einer freien Reichsstadt wie Nördlingen ganz wesentlich im verschiedenen, besseren Recht des Bürgers.
Stadtbürger waren frei insofern, als sie nur von ihresgleichen in der eigenen Stadt gerichtet werden konnten. Dadurch wurde die Stadt, ganz besonders die Reichsstadt und als solche eben auch Nördlingen, eine Gemeinschaft bevorzugten, eigenen Rechtes, indem jeder
Bürger dieser Stadtgemeinde vor diesem stadteigenen Gericht dieselben und gleichen Rechte genoss.
Seitens der Kommune und ihrer Bürger galt es, diese und andere städtische Vorteile in Friedenszeiten zu bewahren und zu mehren, in Krisenzeiten sie zu schützen und zu verteidigen, wie eben mit besonderen Rechten und Vorteilen stets auch besondere Pflichten und Lasten verbunden sind. Unter der insgesamt wehrhaften Bürgerschaft hatte der Rat ein besonderes Interesse an den Schützen, da sie den Kern der Bürgerwehr bildeten. Hieraus resultiert die finanzielle Unterstützung der Schützen durch den Rat der Stadt, hieraus auch die im Grunde absolute Oberhoheit des Rates der Stadt über die bürgerliche Schützengesellschaft.
In dem Maße wie der Rat der Stadt die Schützen bei ihren Schützenveranstaltungen unterstützte, bediente er sich ihrer in Krisenzeiten auch, wie z. B. aus einem Ratsprotokoll für das Jahr 1444 deutlich wird: “An sant haymrands tag Anno etc. (14)44 hat man dise nachge(schriebenen) Büchsenschüczen vnd armprost schüczen hinweg geschickt den obern Steten zu hilff wider die armegegken“, -also gegen die Armagnaken, die als zuchtlose Söldner 1444/45 das Elsaß und Schwaben heimsuchten; “die hat man geklaydt vnd geit ir yedem des tags iiii (= 4) behmisch (Groschen)“. Und im Ratsprotokoll folgen die Namen der von der Stadt Nördlingen am 22. September 1444 in den Krieg geschickten sieben Armprostschüczen“ und acht Büchsenschüczen“. Weiter heißt es im Ratsprotokoll für 1444: “An sant gallen tag eodem anno (= am 16. Oktober 1444) hat man aber(mals) hinweg geschickt …, -und es folgen die Namen von zweiundzwanzig Mann “zu Rosse“, dann acht „Büchsen Schüczen ze füssen“, fünf Mann “mit Armprosten“ und fünf “mit Helmparten“, insgesamt also achtzehn Mann zu Fuß.
Ähnlich, zumeist aber in größerem Umfang hat sich Nördlingen in reichsstädtischer Zeit vom 13. bis 19. Jahrhundert mit bürgerlichen Schützen und angeworbenen Söldnern an den Aufgeboten und Kriegen des Heiligen Römischen Reiches beteiligt, als Reichsstadt sogar beteiligen müssen.
Wie die angeführten Belegstellen verdeutlichen, heißt es in den Archivalien bis 1410 einfach nur „schüczen“, 1444 dann sowohl „Armprost“ –als auch „Buchsenschüczen". Die Armbrust als die ältere Waffe blieb für die Schützen vor der Büchse die vornehmere Waffe bis zum 30jährigen Krieg, nachweislich bis 1615. Mit Büchsen, die ebenso als Hakenbüchse oder Arkebuse, später auch als Muskete und Furkett, bezeichnet werden, wurde in Nördlingen schon seit der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts, sicherlich schon mehrere oder viele Jahre vor 1444 geschossen. 1458 wurden in Nördlingen 94 Armbrustschützen, davon 78 mit eigener Armbrust, und 79 Büchsenschützen, davon 56 mit eigener Büchse gezählt; nur wenig später waren es nur noch 87 Armbrust-, aber schon 113 Büchsenschützen, auch wenn die Zünfte gesondert und zusammen für 1462 gleichviele, nämlich 160 Armbrust- und ebenso 160 Büchsenschützen angegeben haben. Für das Jahr 1615 werden dann hinter 29 an erster Stelle genannten Armbrustschützen 171 Büchsenschützen aufgeführt.
Geschossen wurde nicht hinter dem Schutz der Mauern in der Stadt, sondern vor dem Reimlinger Tor und namentlich vor dem Baldinger Tor auf der Keir- oder Kaiserwiese. Dabei verfügten die Büchsenschützen in reichsstädtischer Zeit, also bis 1802/03, neben dem Stand der Armbrustschützen über ihren oberen, unteren und mittleren Schützenstand, die auch als Musketen-, Ziel-, Viertel- und Hakenstand (Hakenbüchse= Arkebuse) bezeichnet worden sind. Zu jedem dieser insgesamt vier Stände oder Bahnen gehörten ein Schießhäusle, ein Schupf, eine Schießmauer und ein Zielerhäusle.
Im Jahre 1539 bauten die Schießgesellen, wie die Schützen damals hießen, auf der Kaiserwiese ein eigenes Schießhaus, das im 30jährigen Krieg schon 1634 zerstört wurde und in das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (1684) der Blitz einschlug.
1723 wurde das Schießhaus völlig oder doch weitgehend neu errichtet, wie eine Jahreszahlinschrift an der 1975 renovierten Jugendherberge, die das alte Schieß- oder Schützenhaus ist, bestätigt.
Zu diesem Neubau des Schützenhauses heißt es in einer Nördlinger Chronik von 1765: "In dießem Jahr [1723] ist daß Schieshaus widter neu aufgebaut worden, und da man den Herren Vorthel geschoßen am aller Ersten, ... , so war in der Scheiben daß Schieshaus gemahlt wordten mit der Beyschrifft:
,,Ihr Bürger Schüest und Bleibt nicht aus. So Kriegt Ihr Balt ein Schüzen Haus."
Die ganze Anlage der Schützen auf der Kaiserwiese zeigen eindrucksvoll und recht genau die alten Holz- und Kupferstiche von Nördlingen von Hans Rudolf Manuel Deutsch in Sebastian Münsters Kosmographie von 1549/50, von Hans Conrad Wörlen von 1607, von Matthäus Merian von vor 1634 (1643), von Andreas Zeidler von 1651 und schließlich ein Aquarell von Johannes Müller von 1821/22, - alles ebenso seltene wie wertvolle Ansichten, die für die Schützengesellschaft Nördlingen von besonderem dokumentarischen Interesse und Wert sind.
Auf dem Holzschnitt von 1549 findet auf der Kaiserwiese vor dem Baldinger Tor gerade das Scharlachrennen statt: von einer sehr zahlreich einberufenen, im geschlossenen Rechteck aufgestellten Bürgerwehr bewacht, unter der sich gegebenenfalls viele Armbrust- und Büchsenschützen befunden haben mögen, wird im Vordergrund von links nach rechts das Scharlachrennen als Pferdeflachrennen abgehalten, während links außerhalb der Schießmauern der Lauf der „freien Töchter" der Reichsstadt und rechts davon der Lauf der „guten Gesellen" zu sehen sind. Am rechten Bildrand ist, von einem Staketenzaun umgeben, hinter drei Bäumen das Schieß- oder Schützenhaus abgebildet, das als „Theatrum" bezeichnet ist und daher zu dieser Zeit wohl nicht nur als Schützenhaus, sondern ebenso oder sogar vorrangig als Versammlungsort öffentlicher Veranstaltungen und Vergnügungen, namentlich während der Nördlinger Pfingstmesse gedient haben mag.
Die beiden Kupferstiche von 1607 und 1634/43 zeigen auf der Kaiserwiese vor den Toren der Stadt dieselbe Situation, allerdings ohne das Scharlachrennen, das bekanntlich 1525/26 eingestellt worden ist: vor drei Bäumen linkerhand drei bzw. zwei Schießhäusle mit seitlich angefügter, offener wie überdachter Laube für die wartenden Schützen und das Publikum sowie in gebührender Entfernung die Schießscheiben und schützenden Schießmauern der dahinter Schutz findenden Zielerbuben. Rechterhand ist hinter den drei Bäumen in gleichbleibender Bausubstanz das Schützenhaus abgebildet: unter einem Satteldach mit mittigem, schon im ersten Obergeschoß vorkragendem Zwerchhaus zur Kaiserwiese ein zweigeschossiges Gebäude, dessen Erdgeschoß massiv aus Stein und dessen Obergeschoß als Fachwerk ausgeführt sind. Auf beiden Kupferstichen wird dieses Gebäude ausdrücklich als Schieß- und Schützenhaus bezeichnet.
Schon vor der Schlacht bei Nördlingen am 5./6. September 1634 ist das Schießhaus aus militärischen Gründen niedergerissen worden. Daher bildet die Schrägaufsicht von Andreas Zeidler das Schützenhaus auf dem Kupferstich von 1651 auch nicht ab, sondern zeigt einen unbebauten, öden Bauplatz.
Das Aquarell von Johannes Müller aus dem Jahre 1821 zeigt den Schießplatz auf der Kaiserwiese ohne eine Abbildung des Schützenhauses.
Zu sehen sind Schützen in zweierlei, blauen und grünen Uniformen sowie einige Frauen, die den Schießkünsten der Männer offenbar Anerkennung und Bewunderung zollen wollen.
Aus wenigstens zwei Schießhäuschen heraus, neben denen jeweils ein Schützenmeister die Schießordnung überwacht, zielen die Schützen auf eine runde Scheiben vor einer Schießmauer, wobei die Zielerbuben sich hinter diesen Schießmauern oder in eigenen kleinen Zielerhäuschen sichern und verbergen können. Die offenkundige Uniformierung der Schützen muß wohl als Beweis dafür gelten, daß es sich 1821 bei den Schützen auf der Kaiserwiese nicht um (private) Mitglieder einer eigen- und selbständigen Schützengesellschaft oder -vereinigung, sondern vielmehr um das vom Königreich Bayern aus den Nördlinger Bürgern rekrutierte bayerische Bürgermilitär gehandelt haben dürfte.
Von Ostern bis Michaelis im Herbst zogen die Nördlinger Schützen in reichsstädtischer Zeit jährlich 24mal auf die Kaiserwiese und schossen um die Hosen und den Barchent, die vor den Geldpreisen die begehrten Hauptgewinne waren, dazu noch um den Herrenvorteil. Nicht nur die genannten Preise in Höhe von jährlich 88 fl. (= Gulden) zahlte die Stadt, sondern auch die Scheiben und anderes mehr, insgesamt jährlich an die 160 fl. Die Schützen vereinnahmten zusätzlich von jedem Bürger, deren jeder mindestens viermal im Jahr auf die Scheibe schießen mußte, Schieß- und Barchentgeld in Höhe von einigen Kreuzern, dazu noch Strafgelder wegen Fernbleibens, so daß sie jährlich um 300 fl. einnahmen und für das Schießen wieder ausgaben.
Neben diesen gewissermaßen alltäglichen Schießübungen und Preisschießen, die immer montags abgehalten wurden, fanden sogenannte Freischießen statt, große Veranstaltungen mit auswärtiger Beteiligung, wozu die Nördlinger Schützen entweder einluden oder eingeladen wurden.
Von den Einladungen zu auswärtigen Freischießen legen die sogenannten Schützenbriefe im Stadtarchiv Nördlingen ein beredtes Zeugnis ab; erhalten geblieben ist ein einmaliger Bestand von etwa 135 solcher Einladungsschreiben des 15. bis 17. Jahrhunderts, nach denen sich selbst auswärtige Schützengesellschaften wie z. B. die von Aalen 1452 und die von Ellwangen 1439 als deren älteste archivalische Nennungen datieren.
Die Nördlinger Armbrustschützen waren 1437 in Dillingen und 1438 in Konstanz, 1440 in Ellwangen, 1445 in Lauchheim, 1457 in Tübingen, 1467 in Bamberg, 1493 in Worms, -die Büchsenschützen waren 1466 in Lauingen, 1483 in Offenburg, 1493 in Worms, 1498 in Leipzig, ebenso auch in Augsburg, Ulm, Nürnberg, Bamberg, München, Regensburg, Landshut, Heilbronn und Heidelberg.
Die Nördlinger Schützengesellschaft führte im 15. und 16. Jahrhundert eine ganze Reihe solcher Frei oder Hauptschießen durch, als größte die von 1464, 1478, 1565, 1580 und 1585.
1464 waren zum Armbrustschießen die Schützen aus 81 Städten eingeladen worden und aus 46 gekommen, bei den Büchsenschützen aus 54 Städten geladen gewesen und aus 21 gekommen, darunter aus Bern, Zürich und Meran.
1585 waren an die 500 Schützen beteiligt und sowohl bei den Armbrust- wie bei den Büchsenschützen gingen alle Preise im Gesamtwert von 187 fl. (= Gulden), die die Stadt gewährt und ausgesetzt hatte, ausschließlich an auswärtige Gewinner, wie die Stadt-Cammer-Rechnung 1585 bissig und bitter zugleich vermerkt: ,,Den Armbrust schüczen Zu lrem Haubtschiessenn verehrt: den Haubtvortel 80 fl., Zum Krannczschuß 5 fl., Zum Nachschiessen 8 fl. Das alles habenn vnnsere schüczen den Frembden hinauß gelassenn. Den Büchsenschützen gleichsfalls wie denen mit dem Armbrust Verehrt 93 Reichsguldin. Ist aber(mals) alles auch den Frembden worden".
Die Notifikations- oder Einladungsschreiben unterrichten genau über Zeitpunkt, Art und Umfang der Schießen, über die Länge der Bahnen und die Größe der Scheiben, die Anzahl und die Höhe der Preise. Darüber hinaus beschreiben sie die Nebenveranstaltungen wie Wettlaufen und Springen, Kegeln und Tanzen und den Glückstopf, einen Vorläufer von Lotterie und staatlichem Lotto, und vor allem sagen sie Sicherheit und schützendes Geleit zu, was heutzutage zwar selbstverständlich erscheint, seinerzeit aber von unschätzbarem Wert gewesen ist.
Eine besondere Einrichtung dieser Frei- oder Hauptschießen war allenthalben der Pritschenmeister, der in seiner Person Hanswurst und Platzwaibel zugleich verkörperte, der auf dem Terrain der Schießen Vergehen der Schützen sofort durch Schläge mit seiner Pritsche, einer Art Schlagstock, abstrafte, die der jeweilige Sünder auf einem erhöhten Podest auf einer Bank knieend auf sein Hinterteil erhielt.
So wurden auch die Schützen, die die Scheibe gänzlich verfehlten, öffentlich gestraft und lächerlich gemacht.
Von den etwa 135 im Stadtarchiv Nördlingen erhaltenen sogenannten Schützenbriefen oder Einladungsschreiben zu Freischießen befreundeter Schützen anderer Städte können in dieser Festschrift zum 600jährigen Jubiläum der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen in einer Auswahl nach Aussehen, Beschaffenheit und Größe nur 17 abgebildet werden, nämlich in alphabetischer Reihenfolge die von
Aalen 1452
Augsburg 1415
Dinkelsbühl 1493
Eßlingen 1437
Schwäb. Gmünd 1470
Schwäb. Hall 1496
Kaufbeuren 1444
Kempten 1452
Konstanz 1438
Leipzig 1497
München 1467
Oettingen-Wallerstein 1445
Ulm 1463
Wallerstein 1499
Wemding 1555
Würzburg 1803
Zürich 1465
Ohne im einzelnen alle in den Schützenbriefen mitgeteilten Besonder- und Einzelheiten aufzählen und nennen noch alle Belege anführen zu wollen, läßt sich den verschiedenen Schützenbriefen doch dieses im einzelnen entnehmen:
Mit Genehmigung von Bürgermeister und Rat der Reichsstadt (1437 Eßlingen, 1452 Aalen, 1452 Kempten) oder des Stadtherrn wie der Markgrafen von Brandenburg (1496 Hall) oder der Herzöge von Sachsen (1513 Leipzig) laden der Schützenmeister und die Schießgesellen (1415 Augsburg, 1437 Eßlingen, 1438 Konstanz, 1452 Aalen, 1463 Ulm) unter genauer Angabe von Ort, Datum, Uhrzeit und mehrtägiger Dauer die befreundeten Schützen, seien es die Armbrustschützen (1415 Augsburg, 1437 Eßlingen, 1438 Konstanz, 1452 Aalen, 1496 Hall), die Armbrust- und Büchsenschützen (1463 Ulm) oder die Handbüchsenschützen (1444 Kaufbeuren, 1452 Kempten, 1493 Dinkelsbühl) zu einem „früntlich gemain gesellen schiessen" ein (1452 Aalen).
Die Entfernung bis zur Scheibe beträgt für die Armbrustschützen je nach einladendem Ort zwischen 110 und 150 Schritt (1415 Augsburg 130 und 150, 1437 Eßlingen 133, 1438 Konstanz 131, 1452 Aalen 110, 1496 Hall 120) oder 660 halbe Dinkelsbühler Ellen (1493 Dinkelsbühl) und für die Handbüchsenschützen 250 bzw. 240 Schritt (1444 Kaufbeuren, 1452 Kempten), wobei ein Schritt etwa 72 cm entspricht.
Das Auflegen der Handbüchse beim Schießen oder der Gebrauch irgendwelcher Stützen an Arm, Achsel oder Schulter wird 1452 in Kempten ausdrücklich untersagt.
Außer den ansehnlichen Geldpreisen sind die Preise, in Art und Anzahl nach den ausrichtenden Städten verschieden, ein Pferd, ein Stier, ein Ochse, ein schwarzes Tuch, ein Barchant- Tuch, eine Silberschale, ein Silberbecher, ein silbernes Trinkgeschirr, ein goldener Ring, ein Paar Hosen, eine Handbüchse, eine Armbrust, wobei die Sachpreise genau nach ihrem Geldwert angegeben sind, so daß der Gewinner ebenso den Geldwert wählen konnte.
Die Schützen oder Schießgesellen mußten in einen Doppel oder Toppel (wohl einen Doppeltopf als Schützenfestkasse) eine Schießgebühr entrichten (1415 Augsburg, 1437 Eßlingen, 1438 Konstanz, 1452 Kempten), um dessen Inhalt ebenfalls nach gestaffelten Preisen geschossen wurde, aus dem aber auch die Zieler (-buben und -männer) entlohnt wurden (1493 Dinkelsbühl).
Falls unter den Schießgesellen Streitigkeiten auftraten, wurden diese von einem Schiedsgericht entschieden, das in Dinkelsbühl (1493) aus sieben Personen bestand.
In allen Schützenbriefen wird Sicherheit und Geleit auf dem Hin- und Heimweg zu und von dem Freischießen und für die Dauer des Schießens zugesagt und versprochen (1437 Eßlingen, 1438 Konstanz, 1444 Kaufbeuren, 1452 Kempten, 1463 Ulm) wie auch während des Freischießens alle ehrlichen und redlichen Spiele und andere Kurzweil erlaubt wurden.
Um die Anziehungskraft, Fröhlichkeit und Lustbarkeit während des Frei- und Hauptschießens zusätzlich zu erhöhen, wurde in Konstanz (1438) ein Wettlauf um den Preis eines Widders, in Ulm (1463) gleichsam ein dem Nördlinger Scharlachrennen ähnliches Pferderennen mit den Preisen Tuch (1.), Armbrust (2.), Schwert (3.) und einer Sau für den letzten Reiter und in Leipzig (1513) ebenfalls ein Pferderennen veranstaltet.
Die Nördlinger Schützen waren in reichsstädtischer Zeit zweifellos korporativ zusammengeschlossen, sehr wahrscheinlich schon 1399, nicht aber im Sinne eines heutigen zwar öffentlichen, aber freien und privaten Vereins.
Der Eintritt in die damalige Schützengesellschaft ist wahrscheinlich freiwillig gewesen; die Verpflichtung für alle Bürger, mehrmals jährlich auf die Scheibe zu schießen, scheint allerdings nicht mit der Mitgliedschaft in der Schützengesellschaft verbunden gewesen zu sein.
Auch hatten die Schützen eine innere Gliederung: sie waren nach Waffen getrennt; sowohl die Armbrust wie die Büchsenschützen hatten an ihrer Spitze Schützen- und Kerzenmeister, die Büchsenschützen um 1600 (1613) wohl einen 13köpfigen Vorstand mit zwei Schützenmeistern und elf Beisitzern. Über diesem Selbstverwaltungsgremium stand aber zweifellos die Oberhoheit des Stadtregimentes, wie der Rat der Stadt damals hieß.
Der Rat der Stadt erließ die Verordnungen und Ordnungen für die Schützen und er bestimmte die Schützen über die Zünfte bzw. die Viertel zu Wachdiensten auf den Toren und Türmen der Reichsstadt und zu Polizei und Ordnungsdiensten z. B. während der Nördlinger Pfingstmesse.
Aus der Zeit zwischen 1557 und 1796 sind zehn Schützenordnungen für die Armbrust- und die Büchsenschützen bekannt und überliefert, dazu noch eine Reihe von Ratsdecreten aus besonderer Veranlassung, so wegen des Kugelsuchens auf der Kaiserwiese 1606, der Bürgerpflicht zu schießen 1653 und 1682, der Schieß- und Strafgelder 1682-1719 und wider das Schießen in der Stadt 1780 und 1781.
Die Schützenordnungen regeln in 12 bis 24 Artikeln den zeitlichen und örtlichen Ablauf und Umfang des Schießens, wer schießen darf und wann. Um den Herrenvorteil eines ehrsamen Rats darf nur schießen, wer „sein aigen geschoss" hat (1557: 1), wer um den Herrenvorteil und den Barchent schießen will, soll „zuvor das groß Leg gellt legen", also das Schießgeld zahlen (1557: 9), wer den Barchent oder die Hosen gewonnen hat, darf beim nächsten Schießen nicht wieder schießen, sondern muß ausrichten und schreiben helfen (1557: 8, 21), jedoch „Soll ain Jeder, So Hossen oder barchant gewinndt, Zu der Zech gehen, dergleichen die bürgerin", oder 4 Pfennige Strafe zahlen (1557: 1).
Wer „Seinn Schieß-Zeug, Zinn oder annders In Zorn vnbendig hinnwirfftt, der Soll 3 Pfennige gebenn" (1557: 23), ,,wellcher bey gottes Namen In Zorn oder sunst freuenlich fluchtt, der Soll allß baldt acht Pfennig gebenn" (1557: 24).
Als Nördlingen infolge der Mediatisierung 1802/03 den Status einer Freien Reichsstadt verlor und bayerische Land- und Provinzstadt wurde, brachen auch für die Nördlinger Schützengesellschaft vorerst schlechte Zeiten an.
Die zentralistische Bajuwarisierungspolitik der Münchener Zentralregierung unter dem Grafen Montgelas duldete in den neuerworbenen Städten und Territorien anfänglich weder kommunale Selbstverwaltung, noch politische Eigenständigkeit, noch gar bürgerliche Wehrhaftigkeit auf der Grundlage freier Vereinigungen.
Mit königlich bayerischem Rescript vom 31. Oktober 1806 wurde die Nördlinger Schützengesellschaft aufgehoben, die Zuwendungen aus städtischen oder sonstigen öffentlichen Mitteln untersagt, die Schützen als private Liebhaber ihrer Kunst erklärt.
Das alte Schießhaus von 1539 bzw. 1723 hatte schon 1805 weisungsgemäß zugunsten der Nördlinger Stadtcammer um 1000 fl. verkauft werden müssen, die Schießanlagen mußten verkleinert werden und wurden 1808 freies Privateigentum der Nördlinger Schützen.
1808/09 wurde im Sinne einer Landwehr, die im Falle der Gefahr und Not den eigenen Herd verteidigen helfen sollte, das Bürgermilitär als königlich städtisches Landwehrbataillon eingerichtet und in diesem in Nördlingen ein Schützencorps, eine Schützencompagnie aufgestellt, die aus eigenem Interesse und auch für die daneben bestehende bürgerliche Schützengesellschaft die Belange der privaten bürgerlichen Schützen bei den zuständigen bayerischen Verwaltungs-, Polizei- und Militärdienststellen sozusagen mitvertrat und durchsetzte, so daß die Schießanlagen weitgehend erhalten, sogar modernisiert wurden und das militärische Schützencorps Finanzmittel von staatlich königlicher Seite, die bürgerliche Schützengesellschaft von kommunaler Seite erhielt.
Das Schützencorps bestand 1809/10 bis 1828 mit Offizieren und Gemeinen aus etwa 110 Mann, die bürgerliche Schützengesellschaft 1828 aus 30 Mitgliedern. 1803/04 waren es noch etwa 180 aktive Schützen gewesen.
Obwohl 1821 ausdrücklich berichtet wird, die bürgerlichen Schützen seien gänzlich ohne Vermögen, nahmen diese 30 Schützen allem Anschein nach Kapital auf und begannen 1828 mit dem Bau eines neuen Schießhauses, mit eben dem heutigen „Schützenhof" auf der Kaiserwiese.
Großen Zulauf scheint die Schützengesellschaft Nördlingen im 19. Jahrhundert allerdings nicht gehabt zu haben, zumindest gab es wenig Bereitschaft, Schützenämter zu übernehmen, denn 1856 erschienen zur Neuwahl, die durch den Magistrat hatte verordnet werden müssen, nur die beiden alten Schützenmeister Wolff und Rädler und ein Büchsenmacher Schneidt.
1868 wurden die Schützenordnungen auf Betreiben der Staatsregierung in München in ganz Bayern nach einheitlichen Richtlinien erneuert.
39 aktive und 56 passive Mitglieder der Schützengesellschaft Nördlingen feierten dann im Jahre 1900 „unter dem Protektorate Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Ludwig von Bayern" vom 9. bis 13. Juni mit einem großen Festschießen das 500jährige Jubiläum ihrer Gesellschaft, wobei die ganze Stadt und viele auswärtige Gäste mit den Nördlinger Schützen feierten.
Wie es in dem Protokollbuch der Schützen für 1899/1900 heißt, war die Tätigkeit des Schützenvereins ideell ausgerichtet auf „die Hebung und Wahrung deutschen Sinnes, deutscher Treue und Sitte".
Das sind geistige Leitbilder gewesen, die auch galten, als die Nördlinger Schützen 1905 das erste Bundesfestschießen des schwäbisch bayerischen Schützenbundes in Nördlingen ausrichteten, und 1926 ihr 525. und 1975 ihr 575. Jubiläumsschießen feierten, es waren und sind Leitbilder, die auch galten, als Nördlinger Schützen nach den beiden Weltkriegen 1919 und 1945 ihre gesellig-sportlichen Übungsschießen wiederaufnahmen.
Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg
Die Zeit der jüngsten Vergangenheit nach 1945 war für die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen nach den Berichterstattungen ihrer verantwortlichen ersten Schützenmeister Hans Lachenmeyer (1949-1957), Ernst Sieger (1957- 1973) und Hans Hülsenbeck (1973-1993) von vielen Veränderungen geprägt und zudem sehr erfolgreich.
Die drei gemauerten Schießwälle waren zwar am 25. Juni 1947, also nicht etwa in der Endphase des Krieges oder unmittelbar nach dem verlorenen Krieg von den Alliierten, durch Sprengung zerstört worden, das Schießhaus diente zweckentfremdet als Autoreparaturwerkstatt und das gesamte Vermögen der Privilegierten Schützengesellschaft war von der Militärregierung beschlagnahmt und der Verwaltung der Stadt Nördlingen unterstellt worden, aber als sich die gesetzlichen Beschränkungen 1949 lockerten, fand noch in demselben Jahr die Neugründung der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen statt, der auch das frühere Vereinsvermögen wieder zurückgegeben wurde.
Wenn anfangs auch nur von einem Stand in der Sommerhalle mit dem weittragenden Luftgewehr geschossen werden durfte und die Schützen mit Wehmut an ihre alten Feuerstutzen dachten, so schränkte das die Begeisterung und Freude allenfalls etwas ein. Nachdem dann die zweckentfremdeten Räume wieder frei wurden, renovierten die Schützen den Schützensaal und errichteten mit drei Mauerdurchbrüchen sechs Schießstände.
Wie in früheren Zeiten zeigte ein Zieler aus dem Zielgraben die Treffer auf der Scheibe an, wenn die Schützen eine „Kranzelscheibe", das „Rittern" oder auch eine „Hausnummer" ausschossen, wobei kein Schießabend ohne ein geselliges Beisammensein zu Ende ging, so daß aus der sportlichen Kameradschaft bald viele Freundschaften erwuchsen.
In diesem Geist wurde schon am 6. Januar 1951 das erste Dreikönigsschießen
durchgeführt, bei dem auf die Adler-, Glück-, Serie- und Festscheibe geschossen wurde. Wenn bei diesem ersten Dreikönigsschießen die Schützen noch allein unter sich feierten, so änderte sich dies auf Antrag der Jungschützen bald, indem fortan die Frauen und Angehörigen eingeladen wurden und eine Kapelle zum Tanz aufspielte, so daß jetzt die ganze Schützenfamilie feierte.
Um das Schießhaus als Gaststätte für die Schützen und gleichzeitig als nahes Ausflugsziel vieler Nördlinger den Erfordernissen der Zeit anzupassen, mußten Baureparaturen vorgenommen und vor allem eine neue WC-Anlage mit Wasserspülung eingerichtet werden. Die dazu notwendigen Geldmittel sollten durch die Verpachtung der Gaststätte, die Zeichnung von Bausteinen durch die Mitglieder und durch Überschüsse aus dem Königsschießen, dem Sau- und späteren Kirchweihschießen im Herbst sowie durch andere Preisschießen wie Freundschafts- und Pokalschießen gewonnen werden.
Zur Förderung der freundschaftlichen Geselligkeit fanden große Faschingsbälle und ein zumeist zweitägiger Pfingstausflug statt.
Mit nicht geringem Stolz ließen die Jungschützen sich Schützenjacken schneidern und trugen auf dem Schützenhut die Adlerschwinge als Zeichen der Freiheit und des eigenen Besitzes eines Schützenhauses, während jene Schützen, die als Verein in nichteigenen Gastwirtschaften schossen, nur einen Adlerflaum an ihren Hüten tragen durften.
In den Generalversammlungen der Jahre 1956 und 1957 vollzog sich mit dem Generationswechsel nicht allein eine Veränderung der Vorstandschaft, indem im Amt als erster Schützenmeister auf Hans Lachenmeyer (1949-1957) nun Ernst Sieger folgte, sondern gleichzeitig reifte der Wunsch zum Bau einer Kleinkaliber-Schießanlage.
Nach langen Grundstücksverhandlungen mit der Sixenbrauerei Nördlingen wurden in den Jahren 1964-1966
in einer gemeinsamen Baumaßnahme das Hotel Schützenhof und die Kleinkaliber-Schießanlage
gebaut, der bei ihrer Einweihung allgemein hohes Lob und viel Anerkennung zuteil wurde. Von sieben Kleinkaliber- und zehn Luftgewehrständen konnte fortan vom Saal ins Freie geschossen werden. Nicht nur die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen erfreute sich vieler neuer Mitglieder, sondern es kamen auch viele auswärtige Schützenfreunde, die auf der Kleinkaliberanlage schießen wollten.
Die alljährlichen Feiern nach dem Dreikönigsschießen sowie die Kirchweih -und Weinfeste dienten weiterhin mit großem Erfolg der Geselligkeit und der Förderung freundschaftlicher Verbundenheit.
Da Ernst Sieger sein Amt als erster Schützenmeister (1957-1973) wegen Erkrankung 1973 nicht mehr weiterführen konnte, übernahm von da an Hans Hülsenbeck (1973-1993) diese Aufgabe. Im Hinblick auf das 575jährige Jubiläum und das beabsichtigte Fest- und Preisschießen mußte die Kleinkaliber-Schießanlage modernisiert werden, indem die Schießstände mit Unterstützung der Sixenbrauerei dem Gebäude vorgebaut und insgesamt erneuert wurden, zumal sich das Schießen aus dem Saal wegen dessen immer häufigerer Nutzung seitens des Hotels auf Dauer nicht bewährt hatte.
Unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministers für Wirtschaft und Verkehr Anton Jaumann wurde das 575jährige Jubiläum mit einem großen Festakt im Schießhaus feierlich begangen. 450 Schützen waren der Einladung zum Preisschießen gefolgt und etwa 3.000 Gäste aus nah und fern zum Festabend in das Festzelt auf der Kaiserwiese gekommen, so daß die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen wie ihre verantwortliche Vorstandschaft mit den erfolgreichen Jubiläumsfeierlichkeiten sehr zufrieden waren.
Wenn nach den Anstrengungen zum 575jährigen Jubiläum das Vereinsleben und der Schießbetrieb im Schießhaus seitdem in ruhigeren Bahnen verliefen, so wurden die Dreikönigsschießen als Höhepunkt eines jeden Schützenjahres doch immer durchgeführt und gut besucht, ja es wurden Neuerungen eingeführt, indem die Schützen unter ihrer Fahne mit dem Schützenkönig feierlich einzogen.
Das Königsabzeichen war aus Gold, bei zweimaligem Gewinn von einem Goldkranz umgeben, bei dreimaligem Gewinn mit einem Rubin besetzt, was zu erringen bis 1990 allerdings nur zwei Schützen gelang.
Die alte Schützenfahne stammte noch aus dem Jahre 1756 und wurde mit großem Stolz aller Nördlinger Schützen nicht nur bei dem vereinsinternen Königsschießen, sondern jährlich auch bei vier bis fünf auswärtigen Fahnenweihen mitgeführt und gezeigt, worunter die altehrwürdige Fahne mit der Zeit allerdings so litt, daß nach Beschluß der Vorstandschaft 1982 eine neue Fahne hergestellt und angeschafft worden ist. Nach einem feierlichen Festakt in der Ankerhalle auf der Kaiserwiese, einem ökumenischen Gottesdienst in der St. Georgskirche mit Fahnenweihe der neuen Fahne, einem Festzug aller Schützen zur Kaiserwiese und dem Großen Zapfenstreich mit anschließendem Konzert wurde die alte Fahne in feierlicher Aufstellung aller Schützen Oberbürgermeister Dr. Hermann Keßler zu dauerhafter musealer Aufbewahrung übergeben.
In dieser Zeit wurden auch zwei Gedächtnisschießen veranstaltet, eines zu Ehren des Sixenbrauereibesitzers Georg Beyschlag, das andere zu Ehren von Karl Spielberger, aber trotz aller Pflege alter Traditionen und der Förderung freundschaftlicher Geselligkeit konnte sich die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen dem Wandel der Zeit hin zum Leistungssport nicht entziehen.
Um an bayerischen Bezirks- und Landesmeisterschaften teilnehmen zu können, wurden Rundenwettkämpfe und Jahresmeisterschaften ausgeschossen, was die guten Schützen zu forciertem Training motivierte, die mittleren und weniger guten Schützen jedoch zunehmend auf die vereinseigenen Schießveranstaltungen beschränkte.
Als der auf dem seitlich angrenzenden Grundstück tätige Technische Überwachungsverein sein Gebäude wegen eines größeren Neubaues an anderer Stelle 1980 verließ, gelang es der Schützengesellschaft, sowohl dieses Gebäude als auch in zähen Verhandlungen den für eine Erweiterung notwendigen benachbarten Grund für insgesamt etwa 25.000 DM zu erwerben.
Nach etwa zweijähriger Planungs- und Bauzeit wurde 1982
die bereits bestehende Anlage um zehn Pistolenstände, ebenfalls zehn Luftgewehrstände, das Schützenzimmer, Küche, Toilette und weitere Nebenräume
erweitert und damit zu einer der schönsten Schießhausanlagen in Süddeutschland ausgebaut.
Finanziell war die Privilegierte Schützengesellschaft Nördlingen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gegangen, aber nach dem aufgestellten Schuldentilgungsplan, der jährliche Tilgungen in Höhe von 20.000,- DM vorsah, konnte in zehn Jahren der aufgenommene Kredit zurückgezahlt werden.
Bei den Einweihungsfeierlichkeiten 1983
erntete die Schützengesellschaft für die mutig und umsichtig wie gelungen und schön vollbrachte Leistung viel Anerkennung und Lob. Eine Folge des schönen Neubaues war, daß bald danach 35 neue Mitglieder aufgenommen wurden und der Schießbetrieb sich zunehmend der Sportpistole zuwandte.
Im Jahre 1985 wurden die Frauen der Schützen
endgültig in die Schützengesellschaft aufgenommen, die als Schützendamen fortan eine sehr aktive Frauengruppe bilden und das gesellschaftliche Schützenleben sehr bereichern.
Das „Strohschießen", die Weihnachtsfeier, der Tanz in den Mai und das Grillfest wurden eingeführt und sind aus dem Vereinsleben nicht mehr wegzudenken. Bei diesen Veranstaltungen trug die erbrachte Eigenleistung nicht nur wesentlich zur Schuldentilgung bei, sondern mit ihnen wurde oft auch die Grundlage zu neuen Freundschaften geschaffen.
Für das seit 1977 bestehende Nördlinger Stadtmauerfest wurde 1987 eine Historische Schwarzpulvergruppe in historischen Kostümen gegründet,
die mit dem Vorderlader Salut schießt und zusammen mit den ebenfalls historisch gewandeten Schützendamen bei den Festumzügen des Historischen Stadtmauerfestes Nördlingen wie zu anderen Anlässen ein mit viel Anerkennung und Beifall bedachtes Aushängeschild der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen darstellt.
In den Generalversammlungen um das Jahr 1993 wurde wiederum ein Generationswechsel vollzogen, indem Georg Mayer 1. Schützenmeister (1993), Paul Bauerfeind 2. Schützenmeister (1989), Rudi Knapp Schatzmeister (1991 ), Luitpold Steiner Schriftführer (1983) und Lilly Schwarz Sportleiterin (1993) wurden.
Zur Erweiterung der bestehenden Schießanlagen wurde
1997 ein geschlossener Großkaliberstand mit drei Schützenbahnen geplant und dessen Bauausführung schon im Frühjahr 1998 mit dem Ziel begonnen, diesen im Herbst 1998 fertigzustellen und einzuweihen
und damit noch im Jubiläumsjahr 1998 präsentieren und voll nutzen zu können.
Mit einem Bauaufwand von ca. 500.000,- DM wird dieser Großkaliberstand mit großem Aufwand völlig geschlossen gebaut, um allen Umwelt- und Lärmschutzanforderungen der Gegenwart wie auch in Zukunft zu genügen und gerecht zu werden.
Die Nördlinger Schützen haben aber nicht nur Schießhäuser und Schießanlagen gebaut, modernisiert und nach wiederholter Zerstörung erneut finanziert und noch moderner und schöner wieder errichtet, so vor allem 1539, nach 1648, 1723, 1810, 1828 und nach 1945, sie haben nicht nur durch Jahrhunderte große Freischießen, Schützenfeste und Jubiläen ausgerichtet und durchgeführt, sondern sie haben stets aktiv und an vorderster Stelle mitgeholfen, den jeweiligen Erfordernissen und Nöten in ihrer Vaterstadt Nördlingen gerecht zu werden. In diesem Geist haben sie 1499 in der St-Georgs-Kirche zwei Gewölbefelder im Chor durch Spenden mitfinanzieren und miterrichten helfen, wie die Schlußsteine, die sie als Wappenschilde noch heute auf ihren Briefköpfen und Plakaten abdrucken, verdeutlichen.
Diese enge geistige Verbundenheit zwischen der Stadt (verwaltung) Nördlingen und der Schützengesellschaft 1399 Nördlingen ist im laufe von Jahrhunderten entstanden und durch historische Funktionsveränderungen bedingt. Aufgrund dieser Entwicklung reichen die Anfänge der Privilegierten Schützengesellschaft Nördlingen, ähnlich wie bei der freiwilligen Feuerwehr Nördlingen, weit in vergangene Jahrhunderte zurück und daher sind die Schützen in Nördlingen der Geschichte ihrer Vaterstadt immer eng verbunden gewesen und in gewisser Hinsicht moderne Repräsentanten der reichsstädtischen Geschichte in Nördlingen.
Daß diese enge geistige Verbundenheit und historische Treue wie in den vergangenen 620 Jahren auch weiterhin erhalten bleibt und stets mit neuem Leben erfüllt wird, ist gerade während der Feiern zum 600jährigen Jubiläum der Wunsch aller an die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen für die vor ihr liegende Zukunft.
Dr. Dietmar-H. Voges
Im übrigen erhielten wir unser Schützenprivileg nicht, wie es sonst bei alten Feuerschützengesellschaften üblich ist, vom König, sondern seinerzeit von der ehemals "Freien Reichsstadt Nördlingen"